Und es bewegt sich doch (nicht?) – wie vibrotaktile Aktoren Bewegungswahrnehmungen erzeugen und verändern

Bedeutender Preis für Saarbrücker Forscher: Paul Strohmeier vom Max-Planck-Institut für Informatik erhält einen europäischen Förderpreis zur Forschung an und Entwicklung von Algorithmen, die Aktoren so vibrieren lassen, dass sie Bewegungsempfindungen erzeugen.

Dr. Strohmeiers Forschung konzentriert sich auf Kinästhetische Displays, eine neue Klasse von Geräten, die es uns ermöglichen, Bewegungen zu erleben und wahrzunehmen, auch solche, die wir nicht physisch ausführen. Diese Arbeit baut auf seiner umfangreichen Forschung im Bereich des taktilen Feedbacks auf, einem Sinneskanal, der für immersive Erfahrungen entscheidend ist, aber im Vergleich zu visuellen Technologien wie virtueller und erweiterter Realität noch unterentwickelt ist.

Was bzgl. des Gesichtssinns schon länger möglich und aus den Ursprüngen deutlich weiterentwickelt wurde: die Simulation von optischen Welten (augmented reality, virtual reality) steckt bzgl. des Tastsinns noch sehr in den Kinderschuhen. Kräfte und Körperwahrnehmungen zu simulieren bedarf eines anderen Ansatzes. "Heute beherrschen wir visuelle Stimuli; wir sind in der Lage, reichhaltige virtuelle und erweiterte Umgebungen für unsere Augen zu schaffen. Ein Sinn, über den kaum jemand spricht, ist die Kinästhetik - unser Bewusstsein für die Position und Bewegung von Körperteilen. Und obwohl dieser Sinn so zentral für unsere tägliche Erfahrung ist, bleibt er weitgehend unerforscht", erklärt Strohmeier. "Die ERC-Förderung wird es uns ermöglichen, die Gestaltung dieses Sinneskanals zu erforschen, was die Art und Weise, wie wir mit digitalen Systemen interagieren, grundlegend verändern wird." Für die nächsten fünf Jahre stehe Paul Strohmeier und seinem Team fast 1,5 Millionen Euro hierzu zur Verfügung.

Beim Gitarrelernen kann dann nicht nur per Bild oder Video gezeigt werden, wie man einen bestimmten Akkord greift, stattdessen erfährt der Proband, wie das Gefühl in seinen Fingern für diesen Akkord sein muss. Genauso wäre es möglich bei orthopädischen Rehabilitationsmaßnahmen eine positive Verstärkung der erlebten Bewegung zu erzeugen und so die Therapie zu intensivieren. 

Kinästhetische Displays haben ein breites Anwendungsspektrum, wie z.B. die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit von Prothesen. Anstatt sich ausschließlich auf visuelles Feedback zu verlassen, um die Position und Bewegung von Prothesen zu erfahren, werden die von Strohmeier entwickelten Methoden eine verkörperte Erfahrung der Prothesenbewegung ermöglichen, ähnlich wie wir unsere natürlichen Hände erleben.

Paul Strohmeier schloss 2019 seine Promotion an der Universität Kopenhagen ab, wo seine Dissertation mit dem SIGCHI Outstanding Dissertation Award ausgezeichnet wurde. Anschließend wechselte er als Postdoc an die Universität des Saarlandes und leitet nun seit 2021 die Sensorimotor Interaction Group am Max-Planck-Institut für Informatik - dauerhaft, im Rahmen des Saarland Informatics Campus, in enger Kooperation mit der Universität des Saarlandes.

Dieses vom ERC finanzierte Projekt verspricht, die Grenzen der Mensch-Computer-Interaktion zu erweitern und Bereiche wie Fernschulung, gemeinsame Nutzung von Fähigkeiten und Prothetik zu verändern, indem ein verkörperter Kommunikationskanal in digitale Systeme integriert wird.

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Paul Strohmeier
Max-Planck-Institut für Informatik
Tel: + 49.681.302-71930
Email: pastrohm(at)mpi-inf.mpg.de
http://www.sensint.org/

Pressekontakt:
Bertram Somieski
Tel: +49.681.9302-5710
E-Mail: somieski(at)mpi-klsb.mpg.de

Hintergrund Max-Planck-Institut für Informatik:
Das Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken zählt zu den weltweit führenden Forschungsinstituten in der Informatik. Seit der Gründung des Instituts im Jahr 1990 konzentriert es sich auf die Erforschung der mathematischen Grundlagen der Informationstechnologie in den Bereichen Algorithmen und Komplexität sowie Logik der Programmierung. Wissenschaftler am Institut entwickeln auch Algorithmen für verschiedene Anwendungsbereiche wie Programmverifikation, Datenbanken und Informationssysteme und Bioinformatik. Die Forschung im Bereich Visual Computing, also Computergrafik und Computer Vision, an der Grenze zu künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, ist ebenfalls ein wichtiger Forschungsschwerpunkt am Institut. Mit Publikationen auf höchstem Niveau und der Ausbildung exzellenter Nachwuchswissenschaftler trägt das MPI für Informatik wesentlich dazu bei, die Grundlagenforschung in der Informatik voranzutreiben. https://www.mpi-inf.mpg.de

Hintergrund Saarland Informatics Campus:
900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (darunter 400 Promovierende) und rund 2100 Studierende aus mehr als 80 Nationen machen den Saarland Informatics Campus (SIC) zu einem der führenden Standorte für Informatik in Deutschland und Europa. Vier weltweit angesehene Forschungsinstitute, nämlich das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Max-Planck-Institut für Informatik, das Max-Planck-Institut für Softwaresysteme, das Zentrum für Bioinformatik, sowie die Universität des Saarlandes mit drei vernetzten Fachbereichen und 24 Studiengänge decken das gesamte Themenspektrum der Informatik ab.   https://saarland-informatics-campus.de/